Am 12. Juni fand im Konferenzsaal der Majakovskij-Bibliothek
ein russisch-finnisches Seminar unter dem Titel "Bibliothek oder
Supermarkt" statt. Das Seminar wurde von dem Direktor des Instituts
zur Erforschung von Problemen der Globalisierung Boris Kagarlitskij
geleitet. Unter dem zugegebenermaßen recht zweifelhaften Titel
verbarg sich eine umfassende Problematik, die intellektuellen Besitz
im Zeitalter der Information, Virtualisierung und Globalisierung behandelte.
Die Teilnehmer des Seminares erörterten die Besonderheiten intellektuellen
Kapitals in der Informationsgesellschaft, die Möglichkeit seiner
Bewahrung oder seiner Vergabe, diskutierten unterschiedliche Standpunkte
und besprachen unterschiedliche Prognosen bezüglich der Art der
Entwicklung virtueller Publikationen und der Medienkultur. Einer der
interessantesten Vorträge mit dem Titel "Der informelle Charakter
sozialer Umbrüche" wurde von Jurij Zatuliveter gehalten, der,
anders kann man es nicht ausdrücken, dem zeitgenössischen
Internetbetrieb ein Todesurteil fällte. Wenn Information nicht
die Eigenheiten von Materie zugrunde liegen (Masse, Austausch, Diskretion),
folgt daraus, dass sie keine Ware im traditionellen Sinne sein kann
und somit auch kein Garantie eines Äquivalents in Form irgendeiner
Währung bietet. Die Wirtschaft, die eben auf diesen Währungsäquivalenten
aufgebaut ist, ist zum Bankrott verurteilt. Den Ausweg aus der Krise
sieht Zatuliveter in der Erschaffung einiger geheimer neuer ökonomischer
Paradigmen, die er jedoch nicht detaillierter beschrieb.
Kagarlitskij selbst, der bestrebt war, die Gefahr der Übernahme
des virtuellen Raums durch die Monster des Kapitals und der großen
Politik darzulegen, sprach über die Idee des "Netzsozialismus",
die Vereinfachung der Regeln und über Autorenrechte und gab einen
Überblick über die Konzeption des Piratenmarktes.
Übersetzt von Sandra Frimmel(Berlin)